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Nur eingeschränkter Schadensersatz bei Amtshaftung?

Das Landgericht Bonn hat in seiner Entscheidung 1 O 443/20 die Aussage getroffen, dass anders als in §253 BGB vorgesehen nur ein eingeschränkter Schadensersatz möglich ist:

Bei einer Haftung nach § 839 BGB ist die Zahlung eines Schmerzensgelds jedoch nur für die Entziehung der Freiheit und bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt (BGH NJW 2014, 2029, 2031; Dörr in Beck-OGK, § 839 Rn. 544).

LG Köln, 1 O 433/20, S. 16

Fehlerhafte Argumentation

Diese Entscheidung ist nicht nur inhaltlich falsch, sie widerspricht auch der weitergehenden Rechtsprechung von Oberlandesgerichten, wie der des OLG Koblenz zu fehlerhaftem Gutachten einer Rechtsmedizinerin im Auftrag des Jugendamtes.

Dort wird nämlich richtigerweise ausgeführt:

„Nach überkommenem Rechtsverständnis haftete der Sachverständige (nur) bei einem schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder sonst ein absolutes Rechtsgut“

OLG Koblenz 1 U 832/15

Absolute Rechtsgüter

Ein absolutes Rechtsgut definiert sich wiederum wie folgt:

Absolut geschützte Rechtsgüter zeichnen sich dadurch aus, dass sie gegenüber jedermann schadensersatz- und grundsätzlich auch strafrechtlich geschützt sind. Im Schadensersatzrecht findet sich dieser Schutz in § 823 Absatz 1 BGB. Dieser schützt jedoch nicht nur die Rechtsgüter an sich, sondern auch absolute dingliche Rechte wie beispielsweise das (ausdrücklich genannte) Eigentum.

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Geschützt ist damit neben Leben und körperlicher Unversehrtheit die Gesundheit, das Eigentum und sonstige Rechte. Die vom Landgericht vorgenommene Entscheidung ist also weder gesetzlich vorgesehen noch in der Rechtsprechung anerkannt. Der Rechtsfehler rührt daher her, dass man auf eine Entscheidung des BGH zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht abstellt, nicht aber zu einer zur Amtshaftung. Dies entspricht auch dem §253 Abs. 2 BGB, der explicit hierzu ausführt.

Für mich ist klar, dass sowohl die Freiheit als auch die Gesundheit bei jedem Eingriff in Art. 6 II GG betroffen ist. Eltern leiden körperlich-seelisch. Sie sind auch nicht in der Lage, sich frei zu bewegen, wenn sie die Nähe zu einem Kind und damit den Kontakt nicht aufgeben oder einschränken wollen. Aber die Entscheidung zeigt, wo der Schuh drückt: Der Staat möchte sich aus der fiskalischen Verantwortung stehlen. Und dazu nutzt er alle Argumente. Eingeschränkter Schadensersatz ist meiner Meinung nach rechtswidrig.

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Amtshaftung Jugendamt wegen fehlerhaftem Gutachten

Ein Rechtsmediziner, der im Auftrag des Jugendamtes zur Gefahreneinschätzung vor einer Inobhutnahme handelt, haftet nicht selbst nach §839a BGB. Denn insoweit ist er Amtsträger i.S. §839 BGB, so dass eine Eigenhaftung gem. Art. 34 GG ausgeschlossen ist. Amtshaftung Jugendamt wegen fehlerhaftem Gutachten wurde dadurch allerdings so weit bejaht, dass die Schadenszahlung im Fall Diemers vergleichsweise erledigt werden konnte. Es sollen, so hier die Informationen, 107.000 € gewesen sein.

Keine persönliche Haftung der von einem Jugendamt beauftragten Sachverständigen für grob fehlerhaftes Gutachten

Es kommt also immer darauf an, wer den Gutachter bestellt und wann dies erfolgt. Erfolgt die Gutachterbestellung durch die Eltern, dann haftet dieser entweder nach allgemeinen Regeln, wenn eine Entscheidung i.S. §839a BGB nicht ergangen ist, oder eben nach §839a BGB direkt. Wenn er durch das Gericht bestellt wird, haftet er immer nach §839a BGB.

Doch erfolgt vor einem gerichtlichen Verfahren, im Verwaltungsverfahren, die Tätigkeit, die zum Schaden führt, dann haftet die Behörde.

Ob jenseits dessen eine Haftungsgrundlage auch im allgemeinen Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) gefunden werden kann, mag dahinstehen. Nach überkommenem Rechtsverständnis haftete der Sachverständige (nur) bei einem schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder sonst ein absolutes Rechtsgut bei einer leichtfertig unrichtigen, der Sachkunde völlig entbehrenden Begutachtung (vgl. BGH NJW 1989, 2941; OLG Schleswig NJW 1995, 791OLG Frankfurt OLGR 2008, 300 Tz. 31; s. auch BVerfGE 49, 304, 316 ff.).

OLG Koblenz 1 U 832/15

Schwerwiegende Eingriffe in absolute Rechtsgüter notwendig

Nur schwerwiegende Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder sonst absolute Rechtsgüter können insoweit zu einer Haftung führen. Solche absoluten Rechtsgüter sind Leben, körperliche Unversehrtheit (in §823 BGB noch als „Körper und Gesundheit“ benannt) und Freiheit. Die rechtlich spannende Frage ist, ob bei Kindesentziehung durch Inobhutnahme eine Freiheitsentziehung auch dergestalt vorliegt, dass die Eltern dann gezwungen sind in der Nähe des Kindes zu leben oder Kontaktabbruch als Gesundheitsschaden zu provozieren. Dies ist meines Wissens aber noch ungeklärt.

Unverwertbares Gutachten

b) Die Beklagte zu 2. hatte im Auftrag des Jugendamtes ein Gutachten nach Aktenlage zu erstellen; ihr lagen die Krankenblattunterlagen der beiden Kinder sowie Auszüge aus der Ermittlungsakte betreffend den Verkehrsunfall vom 17. April 2012 vor. In ihrer Begutachtung – Rechtsmedizinische Einschätzung – vom 23. Mai 2013 hat die Beklagte zu 2. im Hinblick auf den Kläger zu 4. eine sichere Beurteilungsgrundlage wegen „derzeit zu spärlicher Anknüpfungstatsachen“ vermisst; im Hinblick auf den Kläger zu 3. hat sie hingegen nach der Aktenlage den „hochgradigen Verdacht auf ein (wahrscheinlich mehrzeitiges) stattgehabtes Schütteltrauma“ geäußert – sich aus dem Akteninhalt ergebende alternative Ursachen hat sie dabei mit Eindeutigkeit ausgeschlossen:

Daher ist die ärztliche Einschätzung, dass es sich um einen familiär bedingten benignen Makrozephalus handeln würde, aus hiesiger Sicht in keinster Weise nachvollziehbar. (…)

Der Verkehrsunfall (…) war aus rechtsmedizinischer Sicht zweifelsfrei nicht geeignet, diese Befunde zu verursachen.

OLG Koblenz 1 U 832/15

Zielsetzung des Gutachtens entscheidend zur Zuordnung hoheitliche Tätigkeit

a) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amts darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall auszuübende Tätigkeit dient, abzustellen. Dabei ist es zur Einstufung der Tätigkeit eines Prüfers (Sachverständigen) als Ausübung eines öffentlichen Amts nicht erforderlich, dass dieser selbst (zwangsweise durchsetzbare) Maßnahmen gegen die von seiner Prüftätigkeit betroffenen Personen ergreifen kann; es genügt vielmehr, dass seine Arbeit mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängt und er in diese so maßgeblich eingeschaltet ist, dass seine Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten und sich in ihrer Verwaltungstätigkeit niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit bildet. Des Weiteren kann der Prüfer (Sachverständige) als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen sein, wenn er von einem Hoheitsträger im Einzelfall mit der Beschaffung wesentlicher Entscheidungsgrundlagen und insoweit mit einem in die Zuständigkeit des Hoheitsträgers selbst fallenden Teil einer öffentlichen Aufgabe betraut wird. Es ist weiter zu beachten, dass der gesamte Tätigkeitsbereich, der sich auf die Erfüllung einer bestimmten hoheitlichen Aufgabe bezieht, als Einheit beurteilt werden muss und es nicht angeht, die einheitliche Aufgabe in Einzelakte – teils hoheitlicher, teils bürgerlich-rechtlicher Art – aufzuspalten und einer gesonderten Beurteilung zu unterziehen (vgl. BGHZ 181, 65 = NJW-RR 2009, 1398 Tz. 10 ff.; BGHZ 191, 71 = VersR 2012, 317 Tz. 13; BGHZ 200, 253 = NJW 2014, 1665 Tz. 31).

OLG Koblenz 1 U 832/15

Da die Prüfung durch das Gutachten eng in die Verwaltungstätigkeit eingebracht war und wesentliche Entscheidungsgrundlagen lieferte, kann man den einheitlichen Lebenssachverhalt nicht in eine privatrechtliche und eine hoheitliche Komponente aufspalten.

Handeln in Ausübung des anvertrauten öffentlichen Amtes

b) In Anwendung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall festgestellt werden, dass die Beklagte zu 2. in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat. Das Jugendamt hat im Rahmen des ihm aufgegebenen Schutzauftrages das Risiko einer Gefährdung des Kindeswohls im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen (§ 8a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII). Es hat unter Zeitdruck eine regelmäßig komplexe und folgenreiche Entscheidung von weitreichender Bedeutung zu treffen; hierzu dürfen neben eigenem Fachpersonal auch externe Fachkräfte (Ärzte, Psychologen, Polizeibeamte etc.) mit beratendem Status hinzugezogen werden (vgl. BeckOK SozR/Winkler, 39. Edition [Stand: September 2015], § 8a SGB VIII Rn. 7; Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 8a Rn. 26 ff. und § 72 Rn. 14).

OLG Koblenz 1 U 832/15

Ein Gutachten für das Jugendamt ist kein Gutachten i.S. d. SGB X, weil sie zur Erfüllung des grundgesetzlich normierten Wächteramtes erfolgt:

Die Beklagte zu 2. wurde hier – wie bereits gezeigt (sub II.1.a) – als beratende Rechtsmedizinerin in das Fachkräfteteam des Jugendamts zur Gefahrenabschätzung integriert und sie wurde demzufolge – entgegen der Auffassung des Landgerichts – gerade nicht als (selbständige) Sachverständige im Rahmen eines (sozialrechtlichen) Verwaltungsverfahrens (i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) berufen. Die vom (externen) Rechtsmediziner angeforderte gutachterliche Einschätzung dient unmittelbar der Schaffung wesentlicher – regelmäßig sogar tragender – Entscheidungsgrundlagen zur Ausübung des dem Jugendamt überantworteten staatlichen Wächteramts und ist mithin besonders eng und untrennbar mit dem hoheitlichen Handeln der Behörde verbunden. Die vom Landgericht vermisste gesetzliche Grundlage findet sich – wie gezeigt – in § 8a SGB VIII. Funktion und Aufgabenbereich des Fachkräfteteams des Jugendamts sind dort hinreichend bestimmt; die Umstände der Vergütung des Sachverständigen sind ohne Belang (BGH NJW 2014, 1665 Tz. 37). Soweit der Bundesgerichtshof im Einzelfall beim Tätigwerden von Sachverständigen im behördlichen Aufgabenkreis eine Haftungsbefreiung abgelehnt hat (BGH NJW 2006, 1121NJW-RR 2009, 1398), waren diese gerade nicht als Zuarbeiter im Bereich der staatlichen Gefahrenabwehr oder der ordnungsbehördlichen Überwachung eingesetzt (Pflegeeltern; berufsgenossenschaftliche Unfallverhütung).

OLG Koblenz 1 U 832/15

Tja, das SGB VIII kennen eben nicht nur viele Familiengerichte nicht, sondern offenbar auch Landgerichte nicht.

Jedenfalls muss dann Amtshaftung Jugendamt wegen fehlerhaftem Gutachten erfolgen und nicht diejenige des Gutachters persönlich.

Quelle

Meldungen, Urteil selbst hier veröffentlicht

Vergleich der Eltern mit dem Jugendamt nicht veröffentlicht

Update: Angeblich soll in einem weiteren Verfahren herausgekommen sein, dass die Ausgangsexpertise doch richtig sein soll.

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Amtspflichtsverletzung des Jugendamtes bei Verdacht von Mißbrauch

Ein Jugendamtsmitarbeiter handelt nicht rechtswidrig, wenn er einen Missbrauchsverdacht an einen Arbeitgeber meldet. Insbesondere wird hierdurch nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen rechtswidrig beeinträchtigt, wenn dieser als Erzieher mit Kindern arbeitet.
Auch weitere unterlassene Ermittlungen würden den Schaden nicht entfallen lassen, so das Landgericht Aachen in seiner Entscheidung 12 O 475/15:

Keine Amtspflichtverletzung bei Meldung Verdacht von Missbrauch an Arbeitgeber

Dass die Beklagte zu 2) und die Zeugin T den Arbeitgeber des Klägers im Rahmen des Gesprächs vom 17.10.2012 über den bestehenden Verdacht informierten und die Empfehlung aussprachen, den Kläger vorerst zu beurlauben, stellt keine Amtspflichtverletzung dar. Hierin liegt kein schuldhafter Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Persönlichkeitsrechte des Klägers.

Grundsätzlich ist eine Behörde zu rücksichtsvollem Verhalten verpflichtet (Sprau, Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 839 Rn. 39). Hierzu zählt auch die Rücksichtnahme auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Mitteilung des Verdachts des Kindermissbrauchs gegenüber dem Arbeitgeber kann aufgrund der Sensibilität der Thematik grundsätzlich das Persönlichkeitsrecht des Verdächtigen verletzen, wenn dieser – wie vorliegend der Fall – identifizierbar ist (vgl. BGH, NJW 1994, 1950; OLG Brandenburg, NJW-RR 2015, 239, 240). Ein solcher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn besondere Rechtsvorschriften dies zu lassen (OLG Brandenburg, Beschl-RR 2015, 239, 240).

LG Aachen 12 O 475/15

Die Besonderheit in diesem Fall ist sicherlich, dass der Betroffene als Erzieher arbeitet und daher gesondert zu prüfen ist. Gleichwohl beschäftigt sich das Gericht zu wenig mit den negativen Folgen für den Mann und zur Frage, wie konkret der Missbrauchsverdacht auch auf das Arbeitsumfeld bezogen war.

Kinderschutz rechtfertigt Information an Dritte

Eine Rechtfertigung ergibt sich vorliegend aus § 8a SGB VIII. Die Norm regelt den Schutzauftrag des Jugendamtes im Falle einer Kindeswohlgefährdung. Hiernach hat das Jugendamt bei gewichtigen Anhaltspunkten das Gefährdungsrisiko für das Kindeswohl zu ermitteln. Bei entsprechendem Verdacht vermittelt § 8a SBG VIII dem Jugendamt sogar Befugnisse zum Einschreiten. Etwaige Befugnisse zur Mitteilung des Verdachts gegenüber dem Arbeitgeber des Verdächtigen sind hier nicht ausdrücklich geregelt. Dennoch war ein Handeln der Mitarbeiter der Beklagten zum Zwecke der Gefahrenabwehr aufgrund der schutzwürdigen Belange potentieller Opfer in der konkreten Situation geboten. Dies ergibt sich aus einer Abwägung der schutzwürdigen persönlichkeitsrechtlichen Belange des Klägers einerseits und dem in § 8a SGB VIII verankerten Schutzauftrag des Jugendamtes andererseits.

In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung kommt es zum Schutze der Unschuldsvermutung zunächst nach Ansicht der Kammer darauf an, inwieweit tatsächlich Verdachtsgründe bestehen (vgl. BGH, NJW 2013, 229, 230 m.w.N). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang die handelnde Behörde den Sachverhalt nach ihren bisherigen Möglichkeiten ermittelt hat. Jeder Amtsträger hat die Pflicht, vor einer hoheitlichen Maßnahme, die geeignet ist, einen anderen in seinen Rechten zu beeinträchtigen, den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren so umfassend zu erforschen, dass die Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt (BGH, NJW 1989, 99 m.w.N.). Ferner ist auf die Schwere der potentiellen Gefährdung sowie die Größe des Adressatenkreises und den genauen Inhalt der getätigten Äußerungen abzustellen.

LG Aachen 12 O 475/15

Nur eine Beweisfrage!

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts zunächst fest, dass hinreichend konkrete Anhaltspunkte vorlagen, die einen Verdacht zulasten des Klägers begründen konnten. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Aussagen der Zeugin E2 und des Zeugen O. Sie schilderten übereinstimmend von einem Hausbesuch beim Zeugen u, bei dem dieser von sexuellen Übergriffen durch den Kläger berichtete. Sie hielten die Aussage des Zeugens u auch für glaubhaft. Etwaige Auffälligkeiten des Zeugen u wegen Drogenkonsums, die zu einer anderen Beurteilung hätten führen können, konnte weder die Zeugin E2 noch der Zeuge O feststellen. Für die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen spricht insbesondere, dass sich die Zeugen an Einzelheiten des Gesprächs erinnern konnten. So schilderten beide, dass der Zeuge u sexuellen Übergriffen durch „Onkel Togo“ berichtete und schließlich den vollen Namen des Klägers nannte. Gegen die Annahme hinreichender Verdachtsmomente spricht auch nicht die Aussage des Zeugen u. Diese ist bereits unergiebig, da er schildert, dass er sich aufgrund eines Drogenrausches zu der Zeit nicht an die Umstände und den genauen Inhalt des Gespräches erinnern könne.

LG Aachen 12 O 475/15

Keine unsachlichen Äußerungen

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagte zu 2) und die Zeugin T im Gespräch vom 17.10.2012 unsachliche Äußerungen getätigt oder über die Verdachtsäußerung hinaus von einem feststehenden Sachverhalt berichtet oder den bestehenden Verdacht dramatisierten. Ein solcher Beweis konnte vom Kläger nicht geführt werden. Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der Zeugen G, P und T steht vielmehr fest, dass weder das Wort „Päderast“ gefallen noch ein Verdacht auf den Besitz kinderpornografischen Materials geäußert worden ist. Gegenstand des Gespräches war allein ein Verdacht zu Lasten des Klägers aufgrund entsprechender Aussagen von Dritten. Eine unsachliche Herangehensweise kann auch nicht aufgrund der festgestellten Tatsache angenommen werden, dass in dem Gespräch auch ein Altfall thematisiert wurde, in welchem der Name des Klägers gefallen sei. Dies ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen P und T. Die Zeugen schilderten nämlich auch, dass seitens der Beklagten darauf hingewiesen wurde, dass hierzu keine Akten mehr bestünden. Die Kammer geht schließlich davon aus, dass eine Offenlegung dahingehend erfolgte, dass hierüber keine gesicherten Erkenntnisse bestehen.

LG Aachen 12 O 475/15

Je neutraler sich das Amt verhält, desto weniger kann man es ihm zur Last legen. Das Problem dürfte freilich sein, dass nicht alles bewiesen werden konnte. Z.B. soll der Betroffene auch mit angreifenden Begrifflichkeiten benannt worden sein, wie sich aus dem Urteil ergibt.

Das darf in neutraler Ermittlung nicht sein und belegt eher die These des Betroffenen von schuldhaftem Handeln. Hier aber hat es eben nicht gereicht, weil zu wenig Belege da waren.

Interessen des Betroffenen treten hinter Kindeswohl zurück

Nach einer Abwägung der persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Klägers einerseits und dem bestehenden Schutzauftrag des Jugendamts andererseits ist das Verhalten der Beklagten nicht rechtswidrig. Der Schutzauftrag machte ein Einschreiten der Behörden zulässig. Die Art und Weise, in welcher die Mitarbeiter der Beklagten regiert haben, ist nach Anschauung der Kammer nicht zu beanstanden. Die sachliche Mitteilung eines auf hinreichend ermittelten Umständen beruhenden Verdachts gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers stellt aufgrund der Tatsache, dass der Kläger in der Kinderbetreuung tätig war, ein verständliches Vorgehen zur Abwehr potentieller Gefahren für das Kindeswohl dar. Im konkreten Fall treten die persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Klägers dahinter zurück.

LG Aachen 12 O 475/15

Diese Ausführungen überzeugen. Das Kindeswohl steht über allem. Gleichwohl kann es nicht schrankenlos sein. Es wird also immer vom konkreten Einzelfall abhängig sein, ob man solche Informationen weitergeben darf. Man muss hier auch bedenken, und dazu schweigt das Landgericht, dass eine Vielzahl von betreuten Kindern betroffen wird durch solche Gerüchte. Auch, dass ggf. die Glaubwürdigkeit einer Aussage nicht von Jugendamtsmitarbeitern geprüft werden kann, steht für mich fest. Gleichwohl verbleibt es bei einer Einzelfallentscheidung.

Ob eine schuldhafte Amtspflichtverletzung seitens der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) darin zu sehen ist, dass diese es im Nachgang zum Gespräch vom 17.10.2012 unterließen, die Richtigkeit des Missbrauchsverdachts weiter zu überprüfen, kann dahinstehen. Das Gericht hat nicht feststellen können, dass der behauptete Schaden in Form des Schmerzensgeldes und des Verdienstausfalles auf eine Amtspflichtverletzung durch Mitarbeiter der Stadt Aachen zurückzuführen ist.

Besteht die behauptete Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden unter Beachtung des reduzierten Beweismaßes des § 287 ZPO nur angenommen werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit einer erheblichen bzw. deutlich überwiegenden Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre, wobei eine Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht genügt (BGH, NJW 2005, 68, 71 m.w.N.). Es obliegt grundsätzlich dem Geschädigten darzulegen und zu beweisen, in welcher für ihn günstigen Weise des Geschehen bei Vornahme der gebotenen Amtshandlung verlaufen wäre (BGH, NJW 1986, 2829, 2831; BGH, NVwZ 1994, 823, 825; BGH, NJW 2005, 68, 72).

LG Aachen 12 O 475/15

Schmerzensgeldanspruch 7.000 €

Der Streitwert setzt sich wie folgt zusammen: 7.000 € Schmerzensgeld,  23.696,72 € Lohnschaden

7.000 € für die (unterstellte) falsche Behauptung, jemand wäre pädophil und die Tatsache, dass man damit für sein Leben gezeichnet ist soll nur 7.000 € wert sein? Das finde ich bedenklich.

Versäumnisse des Gerichts

Ich finde es schade, dass das Gericht sich mit einer Schadenminderungspflicht und der grundsätzlichen Pflicht, auch positive Aspekte zu ermitteln, nicht auseinandergesetzt hat. Das ist nämlich ein weitverbreitetes Phänomen: Es werden nur negative Aspekte ermittelt, positive bleiben unermittelt.

Man hätte sich eine tiefergehende Entscheidung gewünscht. Die sich mehr mit den Grundrechtsabwägungen beschäftigt. Letztlich ist es nur eine Beweislastentscheidung, die aber aufzeigt dass man im Zweifel immer verliert und deshalb konkrete Belege vorlegen muss um Erfolg zu haben.